06 Dez 2019

Das Betreten eines anderen Stadionblocks im Lichte des Strafrechts

Liebe Unioner,

es liegen bewegende Wochen hinter uns. Sowohl das DFB Pokal-Spiel in der 2. Hauptrunde beim SC Freiburg als auch das darauffolgende Heimspiel gegen Hertha BSC führten zu Szenen, die in der bundesweiten Diskussion rund um die Anhängerschaft des Fußballs Beachtung fanden. Das Geschehene bietet hierbei genügend Anknüpfungspunkte für eine Auseinandersetzung auf dieser Seite des Programmheftes in den kommenden Wochen. Konkret soll es heute um die Vorfälle des Freiburgspiels gehen.

Der Sachverhalt ist knapp erzählt. Er lässt sich unter der Fragestellung zusammenfassen, was passiert, wenn ein Fan einen Stadionblock zum Zwecke des Aufhängens von Zaunfahnen betritt, obwohl er für diesen Bereich des Stadions über keine gültige Eintrittskarte verfügt. In einem Fall musste ein solcher Fan jedenfalls das Spiel auf der Stadionwache, sowie später vor dem Stadion verbringen. Ermittelt wird nunmehr nach offizieller Polizeimeldung wegen Erschleichen von Leistungen, § 265a Strafgesetzbuch (StGB).

Das Erschleichen von Leistungen ist gemeinhin als „Schwarzfahrparagraph“ bekannt. Ist man in den Öffentlichen Verkehrsmitteln ohne gültigen Fahrausweis unterwegs, so verfolgt einen die Strafverfolgungsbehörde nach mehreren Vorkommnissen auch gerne mal so weit, dass am Ende eine (Ersatz-)Freiheitsstrafe zu Buche steht. Inwiefern hier der Unrechtsgehalt der jeweiligen Taten verhältnismäßig zum oftmals bemühten Argument des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ist, wird vermehrt kritisch bei den politischen Entscheidungsträgern diskutiert.

Eine andere, weniger beachtete Fallgruppe des genannten § 265a Abs. 1, 4. Alternative StGB kann das Sich-Zutritt-Verschaffen zu öffentlichen Veranstaltungen sein, bei denen ein Eintrittsgeld verlangt wird. Der Besuch im Fußballstadion gehört – wie Ihr wisst – zweifelsohne dazu.

Die Knackpunkte in der Einordnung des oben genannten Sachverhalts liegen aber zum einen in der Tathandlung – dem Erschleichen. Zum anderen ist fraglich, ob denn das nur kurze Betreten des anderen Blockes zum Zwecke des Aufhängens von Zaunfahnen, um ihn danach wieder umgehend zu verlassen, überhaupt darauf abzielt, sich diese konkrete Leistung – das Fußballspiel im Block A statt im Block B sehen zu können – erschleichen zu wollen.

Wie Ihr bereits merkt, wirkt der Vorwurf absurd. Es stellt sich die Frage, ob es eine andere Leistung darstellt, ein Fußballspiel von einem anderen Block aus verfolgen zu wollen. Das mag zutreffen, wenn man ein zugewiesenes Ticket im hinterletzten Bereich der Kurve mit Dachstrebensichtbeschränkung hat und stattdessen den VIP-Bereich auf Mittellinienhöhe mit entsprechendem Speis und Trank aufsucht. Der Blick auf das Spielfeld ist schließlich beim Stadionbesuch zentraler Anknüpfungspunkt bei der Bewertung der für den Ticketpreis entgegengebrachten Leistung. Im konkreten Sachverhalt erscheint es aber rein leistungstechnisch sogar ein Minderwert zu sein, wenn der genannte Fan das Spiel im Oberrang verfolgt hätte.

Hinzu kommt, dass für ein Erschleichen im Wortsinne nach den Grundsätzen der Rechtsprechung es notwendig ist, dass der Täter in manipulativer Weise Kontroll- oder Sicherungsvorkehrungen umgeht bzw. ausschaltet, die eine unbefugte Benutzung verhindern sollen. Hält der zuständige Ordnungsdienst die Grenzen zwischen den einzelnen Blöcken durchlässig, so kann von einer manipulativen Umgehung der Sicherungsvorkehrungen keine Rede sein.

Abschließend folgendes: Im Kontext von Fußballspielen ist es ganz üblich, dass die Anhängerschaft eines Vereins im Vorfeld der Begegnung sich durch Zaunfahnen und andere Wahrnehmungsgegenstände präsent und unterstützend der Mannschaft gegenüber zeigt. Das ist an sich auch zunächst erst einmal nicht strafrechtlich relevant. Die Ereignisse aus Freiburg machen aber wieder mal offensichtlich, dass die Vorgehensweise der Strafverfolgungsbehörden gegenüber Fußballanhängern rauer geworden ist. Wir müssen dem entschieden entgegentreten.

Es kann nicht sein, dass der Fußball dafür herhalten muss, dass man dort den Erfolg von Strafverfolgungsmaßnahmen austestet.

Eisern Union!

Dirk Gräning Rechtsanwalt