30 Dez 2013

Polizeibeamte sagen manchmal doch nicht die Wahrheit

Ich habe in der letzten Woche einen Hauptverhandlungstermin für einen von mir vertretenen Fan des 1. FC Union Berlin wahrgenommen.

Mein Mandant war angeklagt wegen einer versuchten gefährlichen Körperverletzung. Er hatte bereits einen Strafbefehl erhalten mit einer Strafe von 140 Tagessätzen zu je 30,00 €, also eine Geldstrafe von insgesamt 4.200,00 €.

Nachdem er mich aufgesucht hat, haben wir Einspruch eingelegt und die Ermittlungsakte angefordert. Aus der Ermittlungsakte ergab sich der Vorwurf einzig aus der Aussage eines Polizeibeamten, der meinen Mandanten beschuldigte, mit der rechten Hand eine Bierflasche auf Kopfhöhe gehalten zu haben und diese in Richtung Einsatzkräfte geworfen zu haben. Dabei soll mein Mandant direkt vor ihm gestanden haben.

Bei der Ermittlungsakte befand sich auch eine Videoaufzeichnung, die anlässlich der Einsatzmaßnahmen beim Spiel Hertha BSC gegen den 1. FC Union Berlin am 11. Februar 2013, bei dem sich der Vorfall abgespielt haben soll, erstellt wurde. In der Ermittlungsakte befand sich dazu ein Hinweis der Bundespolizeiinspektion, nachdem in der Videoaufzeichnung Feststellungen, meinen Mandanten betreffend, nicht gemacht werden konnten. Ich hatte mir im Vorfeld trotzdem das Video erst alleine und dann mit meinem Mandanten angesehen und wir konnten ihn darauf auch gut erkennen, insbesondere, dass er vor der angeblichen Tat, wie von ihm auch von Anfang an vorgetragen, lediglich einen Weichplastebecher, gefüllt mit einem Bierrest in der Hand hatte. In der Bahnhofshalle konnte man überhaupt nicht erkennen, dass mein Mandant eine Flasche in der Hand hielt. Vielmehr war dies lediglich bei einer vor ihm laufenden Person zu sehen.

Der Polizeibeamte wurde in der Hauptverhandlung als Zeuge gehört und bestätigte im wesentlichen seine schriftlichen Aussagen aus der Strafanzeige. Er wurde mehrmals befragt, ob er sich ganz sicher sei, dass der von ihm festgestellte Werfer mein Mandant gewesen sei, was er bejahte. Er ließ sich davon nicht abbringen. Auf den Hinweis, dass mein Mandant Linkshänder sei und er ja festgestellt habe, dass die betreffende Person mit dem rechten Arm geworfen habe, betonte er mehrfach, dass mein Mandant im unmittelbaren Eingangsbereich ihm direkt in Armlänge gegenübergestanden und geworfen habe. Zur Klarstellung zeichnete der als Zeuge vernommene Polizeibeamte dann noch eine Skizze, auf der er kennzeichnete, wo er meinen Mandanten nach dem Wurf festgenommen haben wollte.

Nach der Einvernahme von zwei weiteren Zeugen beantragte ich dann, die Videoaufzeichnung anzusehen, was die Richterin zunächst nicht verstand, weil ja aus der Akte eben ersichtlich war, dass es für den Fall keine aufklärenden Aufzeichnungen gab.
Sie teilte auch mit, dass sie aufgrund dieser Feststellungen sich selber das Video nicht angesehen habe. Sie kam allerdings dann doch meinem Antrag nach und unterbrach die Verhandlung für 90 Minuten, um dann einen Laptop zu beschaffen. Auf dem Video konnte mein Mandant mehrfach im Außenbereich festgestellt werden. Er hielt dabei einen Weichplastebecher in der Hand und konnte schließlich auch im Eingangsbereich des Bahnhofes Zoo auf dem Video erkannt werden. Interessanterweise an einem Ort, an dem er nach Angaben des Polizeibeamten schon längst von ihm festgenommen worden war.

Ein Wurf oder eine Festnahmesituation an dem angegebenen Ort, so, wie der Polizeibeamte sie geschildert hat, war schlicht nicht vorhanden, so dass die Staatsanwaltschaft nicht umhin kam, aufgrund der eindeutigen Erkenntnisse aus dem polizeilichen Video einen Freispruch für meinen Mandanten zu beantragen.

Diesem Antrag folgte dann auch die Richterin und führte in ihrer mündlichen Urteilsbegründung deutlich aus, dass sie nach der Aussage des Polizeibeamten nicht die geringsten Zweifel gehabt hätte, dass mein Mandant der angeklagten Tat auch schuldig sei. Sie hätte ihn verurteilt, hätte sie nicht die Möglichkeit gehabt, sich durch das Video, welches von der Polizei aufgenommen wurde, vom Gegenteil zu überzeugen.

Augenscheinlich entsprachen also die Aussagen des Polizeibeamten, um es mal vorsichtig auszudrücken, nicht dem tatsächlichen Ablauf der Geschehnisse.

Ein gutes Ende für meinen Mandanten, allerdings mit einem faden Beigeschmack, was die Rolle des Polizeibeamten in diesem Verfahren angeht.