21 Okt 2021

Holland und Haschisch

Liebe Unioner,

unser drittes internationales Schüsselheimspiel gegen Feyenoord Rotterdam aus den Niederlanden ist doch ein guter Anlass, um über Drogen zu sprechen. Holland und Haschisch gehören gefühlt zusammen wie Holland und sein 443. Es bedarf nur wenig Fantasie, um sich vorzustellen, dass der ein oder andere Auswärtsreisende im Hinspiel nicht nur De Kuip bewundert, sondern auch die ein oder andere holländische Sehenswürdigkeit besichtigt hat. Zu denen zählen bekanntlich auch die Coffeeshops. Kaffee wird dort freilich nicht ausgeschenkt – und übrigens in der Regel auch keine alkoholischen Getränke. Vielmehr werden dort Drogen verkauft. Und wer jetzt im Stillen ergänzen möchte „ganz legal“, der irrt gewaltig. Der Verkauf von Drogen ist auch in den Niederlanden nicht legal. Er wird nur geduldet und das wiederum nur in engen Grenzen. Dabei machen die Holländer etwas, was auch wir Juristen lieben: Differenzierung. Seit 1976 wird streng zwischen weichen und harten Drogen unterschieden, also zwischen Heroin und Haschisch, zwischen LSD und Marihuana, usw. Trotz aller Differenzierung bleibt aber Besitz, Handel, Verkauf und Produktion aller Art von Drogen per Gesetz verboten und ist strafbar. Das klingt nach feinster Dialektik. Aber im Strafrecht gilt eine ähnliche Regel wie das im Zivilrecht bekannte „Recht haben und Recht bekommen sind zwei Paar Schuhe“. Dass also etwas „strafbar ist“ und dass jemand „bestraft wird“, das geht nicht Hand in Hand. Der Umgang mit weichen Drogen ist zwar verboten und strafbar, wird aber von Polizei und Staatsanwaltschaft in bestimmten Grenzen toleriert und daher weder verfolgt noch bestraft. Infolge dieser Toleranz entstanden ab 1976 die genannten Coffeeshops.

Die den Shops gesetzten Grenzen erinnern ein wenig an die uns Corona-sei-Dank bekannten AHA-Regeln: AHOJG! A für „geen affichering“ beinhaltet das Verbot jeglicher Werbung. H für „geen harddrugs“ verbietet harte Drogen, also deren Verkauf durch den Shop und die Duldung von Besitz oder Konsum derselben durch die Gäste. O für „geen overlast“ bedeutet das Verbot von Ruhestörung oder Belästigung von Anwohnern und Passanten. J für „geen verkoop aan jeugdigen“ verbietet den Verkauf an Jugendliche unter 18 Jahren. G schließlich für „geen verkoop van grote hoeveelheden“ begrenzt die Mengen, d.h. für den Verkauf an Gäste (max. 5 g pro Person und Tag) und den Bestand im Shop (maximal 500 g) müssen Obergrenzen beachtet werden.

Wer noch Erinnerungen an seine Auswärtsreise hat, der kann ja mal prüfen, ob bei einem etwaigen Besuch in jenen Lokalitäten diese Regeln eingehalten wurden. Aber ich kann Euch versichern: Jeder von Euch, der tatsächlich zu Besuch in einem jener Coffeeshops war, dürfte die Grenzen der „geduldeten“ Legalität überschritten haben. Denn die Duldung bezieht sich eigentlich nur auf niederländische Staatsbürger. Eigentlich. Denn auch der Drogentourismus wird faktisch geduldet.

Was heißt nun aber eigentlich Duldung weicher Drogen? Letztendlich nur, dass Polizei und Staatsanwaltschaft bestimmte Prioritäten setzen: In erster Linie geht es um die Strafverfolgung von professioneller Produktion und Handel. Dagegen steht die Bekämpfung des Verkaufs und Gebrauchs von bis zu fünf Gramm weicher Drogen in der Prioritätenliste ganz unten, soweit sich Coffeeshops jedenfalls an die genannten AHOJG-Regeln halten. Hierbei entsteht ein Spannungsfeld, das unter dem Stichwort „achterdeurproblematiek“ (Hintertürproblematik) bekannt ist: Da professionelle Produktion und Handel auch mit weichen Drogen strafrechtlich verfolgt wird, steht die Lieferkette der Coffeeshops außerhalb der tolerierten Grenzen. Würde die Polizei die Hintertür der Coffeeshops kontrollieren und Lieferanten abfischen, die Shops würden schnell auf dem Trockenen sitzen. Und jenes selbst in den Niederlanden bestehende Strafbarkeitsrisiko dürfte der Grund dafür sein, dass die Preise der Produkte der tolerierten Coffeeshops auf gleichem bis höherem Niveau mit den deutschen Schwarzmarktpreisen liegen. Denn die Herkunft der Produkte bleibt illegal und das Strafrisiko lassen sich Produzenten und Händler eben bezahlen.

Also vielleicht dann doch lieber ein Bier … ? Ich hoffe, dass wir einen schönen und für unsere Mannschaft hoffentlich erfolgreichen Abend genießen können.

Eisern Union

Dirk Gräning
Rechtsanwalt