20 Okt 2017

Neuerungen des Strafverfahrens Teil 3: Online – Durchsuchung

Liebe Unioner,

ich komme heute nochmal zurück auf die in den letzten Heften vielfach dargestellten Änderungen der Strafprozessordnung, die es in diesem Sommer gab. Der Gesetzgeber nahm nämlich diese zum Anlass, um die ,,Online – Durchsuchung‘‘ einzuführen. Dabei handelt es sich um eine weitreichende, tief in die Privatsphäre eingreifende Ermittlungsmaßnahme der Strafverfolgungsbehörden, deren Einführung eine größere Diskussion in der Öffentlichkeit verdient gehabt hätte. Der Gesetzgeber sah das anders und war der Meinung, dass eine einzige Debatte im Parlament genügt, um über einen zwei Tage zuvor eingereichten Antrag zu entscheiden. So ging die Thematik leider in der öffentlichen Wahrnehmung unter.

Die Online – Durchsuchung ist nunmehr in den neuen Regelungen des § 100b Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Danach ist es den Strafverfolgungsbehörden möglich mit technischen Mitteln, ohne Wissen des Betroffenen, in ein von diesem genutztes ,,informationstechnisches System‘‘, also  Computer, Tablet, Smartphone, Netzwerk oder ,,Cloud‘‘, einzugreifen und Daten daraus zu erheben. Das fehlende Wissen des Betroffenen von der Maßnahme ist auch der entscheidende Unterschied zu der bislang praktizierten Beschlagnahme und Auswertung von Computern oder Smartphones im Rahmen einer Durchsuchung. Bei Letzteren hat der Betroffene nämlich Kenntnis von den Maßnahmen.

Grundsätzlich erlaubt die gesetzliche Regelung die Erhebung von bereits gespeicherten Daten aus dem Computersystem. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen dagegen die Befugnis nicht dazu nutzen, um eigenständig Daten zu erzeugen. Insbesondere ist die heimliche Aktivierung von Mikrofon und Kamera sowie die Veränderung von gespeicherten Daten verboten.

Die Maßnahme ist zudem nur zur Erhebung von Daten, die für das konkrete Strafverfahren von Bedeutung sind, zulässig. Das klingt in der Theorie schön, in der Praxis müsste aber erst mal herausgefunden werden, welche Daten für das Strafverfahren relevant und vor allem, in welchem Ordner diese gespeichert sind. Im Grunde ermöglicht daher diese Maßnahme nichts anderes als den Zugriff auf alle gespeicherten Daten, seien es geschäftliche Unterlagen oder Urlaubsbilder, und greift so in erheblicher Weise in die Privat- und Intimsphäre der betroffenen Person ein. Aufgrund dessen ist die Maßnahme nicht bei jeder x- beliebigen Straftat, sondern nur zur Aufklärung von besonders schweren Straftaten zulässig. Als besonders schwere Straftaten werden beispielsweise Mord, Totschlag, schwerer Raub, Bandendiebstahl oder die Bildung einer kriminellen Vereinigung aufgezählt. Zudem dürfen die Strafverfolgungsbehörden erst dann auf die Online – Durchsuchung zurückgreifen, wenn die Aufklärung der Straftat auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.

Aufgrund ihrer Eingriffsintensität steht die Online – Durchsuchung gemäß § 100e Abs. 2 StPO unter einem starken Richtervorbehalt. Die Maßnahme darf nur von einer Kammer des Landgerichts (also 3 Berufsrichtern) angeordnet werden. In Eilfällen darf der Vorsitzende der Kammer die Maßnahme alleine anordnen, muss diese aber durch die gesamte Kammer innerhalb von drei Tagen bestätigen lassen. Eine Eilkompetenz für die Staatsanwaltschaft oder Polizei, wie wir es von der Wohnungsdurchsuchung kennen, gibt es dagegen nicht. Die Maßnahme darf sich auch grundsätzlich nur gegen den Tatverdächtigen richten. Wenn aber anzunehmen ist, dass der Tatverdächtige auch Computer oder Smartphones einer anderen unverdächtigen Person nutzt und die Online – Durchsuchung bei ihm allein nicht zur Aufklärung der Straftat beiträgt, darf sich die Maßnahme ausnahmsweise auch gegen diese andere Person richten.

Zum Schutz der Privatsphäre hat der Gesetzgeber schließlich noch in § 100d StPO vorgesehen, dass Erkenntnisse aus dem sogenannten Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht erlangt werden dürfen. Diese müssen unverzüglich gelöscht und dürfen auch nicht verwertet werden. Unter diesen Kernbereich fallen aber nur rein private bzw. intime Gespräche. Dagegen fallen gespeicherte E-Mails an die Liebste, in denen man über die Begehung einer besonders schweren Straftat berichtet, gerade nicht in den Kernbereich.

Eisern Union!

Dirk Gräning – Rechtsanwalt