15 Juni 2020

Stadionverbotspraxis

Liebe Unioner,

ich habe an dieser Stelle schon wiederholt zu Stadionverboten Ausführungen gemacht. Nach wie vor verhehle ich nicht, dass ich die gehandhabte Praxis, nach der Informationen aus Ermittlungsverfahren an Vereine und Verbände erteilt werden, bevor der Beschuldigte über seinen Rechtsanwalt die Möglichkeit hatte, in die Akte Einsicht zu nehmen, ablehne.

Darüber hinaus ist es für mich auch nach wie vor eine Vorverurteilung, wenn Stadionverbote gegen Personen ausgesprochen werden, bevor sich Staatsanwaltschaft und Gericht überhaupt mit der Sache befasst haben. Die Befürworter dieser Praxis legen den Fokus natürlich auf die Präventionswirkung. Aber ich empfinde es als ein unvertretbares Risiko, jemanden für lange Zeit aus den Stadien zu verbannen, bevor er wegen der ihm vorgeworfenen Tat rechtskräftig verurteilt worden ist.

Umso erfreulicher ist es, dass es in dieser Frage nun etwas Bewegung zu geben scheint. Es ist zu bemerken, dass die Vereine immer mehr von der Möglichkeit Gebrauch machen, ein angedrohtes Stadionverbot zunächst zur Bewährung auszusetzen. Dies solange, bis klargestellt ist, ob der Beschuldigte wegen der ihm vorgeworfenen Tat verurteilt wurde oder nicht. Um eine solche Lösung zu erreichen, muss der Adressat eines Schreibens, aus dem hervorgeht, dass man beabsichtigt, gegen ihn wegen eines eingeleiteten Ermittlungsverfahrens ein Stadionverbot zu verhängen, aber aktiv werden und nicht gleich den Kopf in den Sand stecken.

Wichtig ist, mit den Fanprojekten Kontakt aufzunehmen und den Ablauf des Verfahrens zu besprechen.

Überdies sollte ein Betroffener dann von seinem Anhörungsrecht, das ihm im Rahmen der Stadionverbotsrichtlinien zusteht, Gebrauch machen.

Möglich ist es dabei, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Wesentlich besser wird es allerdings häufig sein, wenn man von seinem Recht auf mündliche Anhörung Gebrauch macht, um selbst seine Sicht der Dinge vor einer Stadionverbotskommission darzustellen.

Ist eine Stadionverbotskommission davon überzeugt, dass berechtigte Zweifel, inwieweit der Betroffene die ihm vorgeworfene Straftat wirklich begangen hat oder nicht, nicht auszuräumen sind und man zunächst eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichtes zum Fortgang des Verfahrens abwarten will, kann man zu einer oben genannten Lösung kommen. Das ist eine meiner Auffassung nach sehr faire Regelung, weil damit Vorverurteilungen ausgeschlossen sind.

Wenn Ihr also von solchen Maßnahmen betroffen seid, und das kann manchmal  schneller kommen als man es sich vorstellt, nehmt mit dem Fanprojekt Kontakt auf. Dort wird gute Arbeit geleistet und man wird dort mit Euch das weitere Vorgehen besprechen, insbesondere die vorbereitenden Fragen zum Anhörungsverfahren klären.

Es ist zu hoffen, dass die oben angesprochene Entwicklung bestehen bleibt. Das Stadionverbot ist an sich schon eine sehr streitbare und auch nur schwer hinnehmbare Sanktion. Über einen solchen Weg kann aber zumindest verhindert werden, dass unschuldige Personen, auch z. B. weil sie verwechselt worden sind, längere Zeit zu Unrecht aus Stadien ausgesperrt werden.

Eisern Union

Dirk Gräning

Rechtsanwalt