22 Juni 2020

Gerichtsmarathon

Liebe Unioner,

in der Situation, in der sich der Fußball derzeit befindet, wird sehr häufig überlegt, wie man möglichst gute Alternativen schafft, wenn eine sportliche Entscheidung nicht mehr möglich ist. Das ist insbesondere ab der Regionalliga abwärts interessant, da hier bereits Spielzeiten abgebrochen wurden und man jetzt am grünen Tisch oder auch glücklicherweise teilweise in demokratischer Abstimmung der Vereine nach gerechten Lösungen sucht. Final Four Turniere, die Anwendung der Koeffizientenregel, Verzicht auf Absteiger usw. usw.. Wie auch immer diese Vorschläge aussehen, für alle Vereine wird es nie „die gerechte Lösung“ geben. Es ist zu befürchten, dass Beschlüsse von Verbänden zur Klärung dieser Problematik auch die ordentlichen Gerichte beschäftigen werden.

Wenn man sich aber dann dagegen den Gerichtsmarathon, den der SV Wilhelmshaven hinter sich bringen musste, welcher jetzt gerade abgeschlossen wurde, ansieht, wirkt das, was gerade aktuell passiert, fast ein wenig wie Spielerei.

Der SV Wilhelmshaven war im Jahr 2013/14 mit seiner ersten Mannschaft in der Regionalliga Nord vertreten. Es hatte zunächst einen Streit wegen der Zahlung einer Ausbildungsvergütung für einen Spieler gegeben, der beim SV Wilhelmshaven spielte.

Eine solche Vergütung soll immer dann an die Herkunftsvereine bezahlt werden, wenn „große“ Vereine Spieler mit guten Angeboten aus kleinen Vereinen zu sich locken und sich damit eigene Ausbildungskosten sparen bzw. später größere Kosten auf dem Transfermarkt vermeiden.

Da es sich um einen Spieler aus Argentinien handelte, schaltete sich auch die FIFA ein und war der Auffassung, dass der SV Wilhelmshaven für diesen Spieler 157.000 € zu zahlen hätte. Der SV Wilhelmshaven, seinerzeit wie oben beschrieben Viertligist, meinte, sich an diese Regelung nicht gebunden zu fühlen und somit auch nicht die festgesetzte Vergütung zahlen zu müssen.

Was folgte war ein Punktabzug. Nach Übertragung der Verantwortlichkeit auf den regional zuständigen Fußballverband, nämlich hier den norddeutschen Fußballverband, wurde der SV Wilhelmshaven letztlich am Ende der Saison 2013/14 aus der Regionalliga entfernt und musste zwangsabsteigen.

Gegen diese Maßnahme klagte der SV Wilhelmshaven beim Landgericht Bremen, wo er verlor. Auf eine anschließende Berufung beim Oberlandesgericht Bremen und auch beim Bundesgerichtshof wurde die Sache dann anders eingeschätzt. Hier gab es rechtliche Erwägungen der Gerichte, die feststellten, dass der Norddeutsche Fußballverband den Abstieg gar nicht hätte beschließen können, weil eine solche Regelung in der Satzung nicht vorgesehen war.

Diese Siege nutzten dem SV Wilhelmshaven natürlich wenig, weil sie viel zu spät kamen. Trotzdem wollte der Verein sich nach diesem positiven Ergebnis nicht mit der Situation zufriedengeben und erhob dann nochmals beim Landgericht Bremen Klage, mit dem Ziel, wieder in die Regionalliga zurückkehren zu können.

Das Gericht war der Auffassung, dass der SV Wilhelmshaven grundsätzlich einen Anspruch auf Schadenersatz hätte, legte aber die dafür erforderliche Beweislast auf die Schultern des Vereins. Der Verein hatte dazu vorgetragen, dass man zwar in der Saison 2013/14 auch sportlich abgestiegen wäre, dies aber hätte vermieden werden können, wenn nicht schon vor Ende der Saison die drohende Entscheidung über den Zwangsabstieg die Moral der gesamten Mannschaft ruiniert hätte.

Für den Verein bedeutete die Übertragung der Beweislast aber, dass er genau diese Behauptung hätte unterlegen müssen, was natürlich absurd war, weil aufgrund der ungewissen sportlichen Randbedingungen dies gar nicht möglich war. Somit ist der SV Wilhelmshaven nunmehr nach insgesamt 13 Jahren mit Streiten vor verschiedenen deutschen Gerichten in unterschiedlichen Instanzen sowie auch bei der FIFA und dem internationalen Sportgerichtshof CAS daran gescheitert, doch noch den Zwangsabstieg korrigieren zu lassen. Eine letztlich erfolgloser Gerichtsmarathon für den „kleinen“ SV Wilhelmshaven.

Eisern Union

Dirk Gräning

Rechtsanwalt