20 Feb 2017

Eiserne Hilfe – Analyse der Polizeimeldung, zusätzliche Fakten und daraus zwingende Zweifel an der Rechtstaatlichkeit der polizeilichen Mittel

Die Polizeimeldung der Polizei KA anlässlich der polizeilichen Maßnahmen rund um das Zweitligaspiel Karlsruher SC – 1. FC Union Berlin am 19.2.17 gibt Anlass zur Sorge. Die Eiserne Hilfe, gegründet, um Unionern, die unschuldig mit der Polizei oder dem Gericht in Kontakt geraten sind, zu helfen, analysiert im Folgenden diese Meldung, ergänzt und kommentiert sie und muss als Schlussfolgerung erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Aktion anmelden.
Vorverurteilung, willkürliche und überzogene Maßnahmen und Drangsalierung von Seiten der Ordnungskräfte gehören inzwischen insbesondere zum Besuch von Auswärtsspielen.  Das weiß leider jeder, der Fußball nicht nur aus dem Familienblock im Heimstadion oder durch die abgegriffenen Tasten der Fernbedienung für den Sky-Receiver kennt. Die Polizeimeldung (im Anhang) ist ein krasser Beweis dieser alltäglichen Praxis. In gelb haben wir Verdachtsmomente, Vermutungen, alltägliche Beobachtungen und Vorverurteilungen markiert. Blau sind für eine Polizeimaßnahme relevante Fakten. Rot markiert sind die tatsächlichen Maßnahmen der Polizei.
Wir fassen den Tathergang zusammen: Fußballfans sind zu einem Spiel angereist. Sie parkten. Sie „fielen dabei auf“. Sie liefen zur Straßenbahn. Sie benutzten die Straßenbahn. Die Polizei hielt die Straßenbahn mit den Fußballfans fest (im Übrigen mehrere Stunden – das unterschlägt die Meldung). Alle „relevanten“ Personen wurden durchsucht. Dabei wurden neben vermutlich ein paar Joints Folgendes gefunden: Schlauchschals, wie sie schon von 2jährigen getragen werden:

2017_02_20 Vermummung

(Beweisfoto aus einer Berliner Kita)

Weitere Ausbeute war ein Teleskop-Fahnenstock, der in jedem Fußballstadion anzutreffen ist, und der von der Karlsruher Polizei in ein Schlagwerkzeug umgedeutet wurde. Anhand dieser Meldungsinhalte kann sich fast nur noch in Ironie geflüchtet werden. Wenn es Fußballfans nicht mehr erlaubt ist, individuell anzureisen, schwarz zu tragen und dabei öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, ohne einer polizeilichen Maßnahme unterzogen zu werden, dann hätte dies zumindest kurz an anderer Stelle, bspw. von in solchen Sachen nicht schweigsamen Herrn Wendt, doch lange bekannt gegeben werden können. So bleibt die Frage bestehen: Warum wurde die Straßenbahn eigentlich angehalten? Und warum ist alles das passiert, was danach passiert ist? (…und was außerhalb des Fußballkontexts, beispielsweise in China, durchaus ein paar unangenehme Fragen bei einem Staatsbesuch zum Thema Menschenrechte hätte provozieren können?)
Die Schlussfolgerung aus Parken, Laufen und Straßenbahnfahren und gleichzeitig die einzige Begründung der Polizei ist: Da muss etwas im Busch gewesen sein! „Augenscheinlich“ wollten sich, und selbstverständlich, alle (!) non-verbal mit „einheimischem Gefahrenpotenzial“ auseinandersetzen. Wir sind zwar auch ab und zu bei Gerichtsverfahren zugegen, „augenscheinlich“ ist uns dabei selten als Begründung untergekommen. Für die Polizei reicht dies für einen aus unserer Sicht schwerwiegenden Eingriff in die Rechte von 200 Menschen. Folglich wurden die aus Berlin Angereisten zunächst über Stunden in/um? eine/r Straßenbahn festgesetzt, erkennungsdienstlich behandelt und durchsucht, erhielten dann einen Stadtverweis und wurden von der Polizei aus der Stadt und dem Bundesland zwangsentfernt. Es muss sicherlich nicht erwähnt werden, dass Ansprechpartner seitens der Polizei nicht aufzufinden waren und es nicht für nötig oder auch nur deeskalierend gehalten wurde, eine Kommunikation über Hintergründe und Zweck dieser dreistündigen Einkesselung anzustrengen.
Gerechtfertigt wird dieses Vorgehen durch pauschalisierte Vorverurteilungen („Problemfans“), sowie geradezu absurd-alltägliche Beobachtungen („konnte(n) […] ein Fanbus […] festgestellt werden. Die Insassen hatten sich fußläufig entfernt“). Daraus folgt eine fragliche und dennoch als absolut logisch dargestellt Annahme („Augenscheinlich“), die anhand des Geschilderten nur als ehrenrührig zu bezeichnen ist. Obwohl keinerlei Anhaltspunkte für die von der Polizei vage ins Feld geführte Drittortauseinandersetzung vorliegen, sah die Polizei sich, ohne Kommunikation mit den Betroffenen und ohne, dass über das Fanprojekt oder die Fanbetreuung sinnvoll eingegriffen werden konnte, zur Tat veranlasst. Dies gipfelte in einer drastischen Maßnahme. 200 Menschen, die unter großem zeitlichen und finanziellen Aufwand ein Auswärtsspiel besuchen wollten, wurden einer nicht zu erklärenden Zwangsmaßnahme und „Rückführung“ nach Berlin unterzogen. Die eben noch schnell eingeschobene Rechtfertigung in Form eines Strafverfolgungsverfahrens soll nach unserer Auffassung nachträglich juristische Legitimation vorgaukeln und bringt den in letzter Zeit verstärkt zitierten Straftatbestand des Landfriedensbruches ins Spiel. Der Paragraf des Landfriedensbruchs sieht folgenden Sachverhalt vor:

§ 125 StGB Landfriedensbruch

(1) Wer sich an
1. Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder
2. Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit,
die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft […].

Dieser Straftatbestand kann hier nicht vorliegen. Es kam weder zu Gewalttätigkeiten noch zu Bedrohungen– dies wird selbst von der Polizei auch gar nicht behauptet! Diese waren auch entgegen der anders lautenden Pressemitteilung der Polizei Karlsruhe nicht geplant. Warum also diese drastischen Maßnahmen?
Bereits 2014 wies die AG Fananwälte darauf hin, dass „[…] in anderen Verfahren mit Fußballbezug der Landfriedensbruch-Tatbestand (§ 125 StGB) in einer Art und Weise überdehnt wird, dass selbst das Nichtstun und bloße Dabei sein als strafbar erachtet wird. Dies steht im völligen Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der in einem Grundsatzurteil klargestellt hat, dass das bloße „Dabeisein“ in einer unfriedlichen Menge für eine Tatbestandsverwirklichung des Landfriedensbruchs nicht ausreicht. Der Landfriedensbruch gehört ohnehin zu den wachsweichen Straftatbeständen, die nur sehr schwach umrissen sind.“ Auch wir haben bereits auf unserer Seite durch unseren Anwalt diesen Paragrafen erörtert.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es keine nachvollziehbare Grundlage für ein ausgesprochen restriktives Eingreifen der Polizei gegen eine große Anzahl von Personen gab. 200 Fußballfans wurden, ohne Fehlverhalten an den Tag gelegt zu haben, stundenlang festgehalten und von ihrem Reiseziel abgehalten sowie zur Umkehr nach Berlin gezwungen. Jeder Lesende ist herzlich eingeladen, sich auszumalen, wie es ihr/ihm in der Situation gegangen wäre und welche Gedanken man wohl auf der erzwungenen Heimfahrt, ohne das Spiel gesehen zu haben, haben könnte. Der im letzten Satz abschließende Hinweis der Polizei kann nur als blanker Hohn verstanden werden.

Die Eiserne Hilfe wurde gegründet, um Unionern, die im Rahmen von Fußballspielen unschuldig in Probleme geraten, zu helfen. Wir bitten Betroffene, Gedächtnisprotokolle anzufertigen und sich bei uns zu melden info@eiserne-hilfe.de. Wir werden angesichts dieses skandalösen Verhaltens der Polizei rechtliche Schritte gegen die Polizei unterstützen und möchten uns vor dem Hintergrund der provozierenden und demütigenden Maßnahmen der Polizei herzlich bei allen Unionern dafür bedanken, dass sie sich, wenngleich es bestimmt nicht angenehm war, ruhig und kooperativ verhalten haben. Und bitte passen Sie auf sich auf, wenn Sie das nächste Mal nicht allein eine schwarze Regenjacke in der U2 tragen, Sie könnten Ihren Folgetermin verpassen.

Polizeimeldung mit Anmerkungen