06 Mrz 2019

Pflichtverteidiger

Liebe Unioner,

derzeit wird gerade wieder eine rege Diskussion zur Neuregelung des Rechtes der notwendigen Verteidigung geführt.

Ausgehend von der Intention der Europäischen Union werden zur Stärkung der Rechte und Ansprüche von Beschuldigten im Strafverfahren Regelungen angestrebt, in denen sich die Unionsstaaten zur Einhaltung von Mindeststandards erklären sollen. Es wird daher jetzt auch im Bundesjustizministerium ein vorgelegter Entwurf zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung diskutiert.

In diesem Zusammenhang noch einmal einige Bemerkungen für den sogenannten Pflichtverteidiger im Strafverfahren. Immer wieder wird einem Verteidiger von Mandanten die Frage gestellt, wer einen Anspruch auf Pflichtverteidigung hat.

In Strafverfahren kommt es bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht darauf an, ob der Beschuldigte, der einen Pflichtverteidiger gestellt bekommen möchte, über ausreichende finanzielle Mittel verfügt und es kommt auch nicht darauf an, ob Möglichkeiten bestehen, dass er sich nach erhobener Anklage erfolgreich dagegen wehren kann.

Vielmehr wird der Anspruch auf Bestellung eines Pflichtverteidigers vom Recht der notwendigen Verteidigung abgeleitet. In der Strafprozessordnung sind eine Reihe von Voraussetzungen genannt, nach denen ein sogenannter Pflichtverteidiger bestellt werden kann, bzw. muss.

Über die Bestellung von Pflichtverteidigern entscheiden regelmäßig die angerufenen Gerichte, in Sonderfällen auch die Staatsanwaltschaft.

Wird man wegen der Begehung einer Tat beschuldigt, die es rechtfertigt, einen Pflichtverteidiger zu bestellen, wird – soweit der Beschuldigte vorher noch nicht anwaltlich vertreten ist – das angerufene Gericht dem Beschuldigten ein Schreiben zur Kenntnis geben, in dem es mitteilt, dass eine Anklage vorliegt, die es erfordert, für ihn einen Pflichtverteidiger zu bestellen. Der Beschuldigte wird dann meist aufgefordert, in relativ kurzer Frist, oft nicht mehr als eine Woche oder 10 Tage, einen Verteidiger seines Vertrauens zu benennen, damit dieser dann vom Gericht als Pflichtverteidiger beigeordnet werden kann.

Leider nehmen Beschuldigte dieses Schreiben häufig nicht besonders ernst und reagieren darauf nicht. In der Folge bleibt dem Gericht dann gar keine andere Möglichkeit, als einen Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger zu benennen.

Das heißt, der Beschuldigte bekommt einen Strafverteidiger zugeordnet, mit dem er vorher keinen Kontakt hatte. Er muss sich dann an diesen wenden und wird von diesem Pflichtverteidiger im Prozess vertreten.

Damit hat der Beschuldigte dann eine Chance verspielt, einen Verteidiger seines Vertrauens zu bestellen. Es ist zwar dann noch immer möglich, einen weiteren Verteidiger als sogenannten Wahlverteidiger zu benennen. Dann muss man aber wissen, dass man die anfallenden Gebühren quasi doppelt bezahlt. Nur in Einzelfällen wird es dem Wahlverteidiger, der vom Beschuldigten gewünscht ist, gelingen, den Pflichtverteidiger zur Aufgabe seiner Bestellung zu überzeugen, um dann selber die Rolle des Pflichtverteidigers im weiteren Verfahren einzunehmen. Sollte das gelingen, kostet aber auch das regelmäßig mehr Geld für den Beschuldigten.

Insoweit sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass, sollte ein entsprechendes Schreiben eingehen, man darauf unbedingt reagieren sollte. Auf die Auswahl des Verteidigers durch das Gericht – soweit vom Beschuldigten kein Verteidiger benannt wird – hat man keinerlei Einfluss. Diese Auswahl ist auch für den Beschuldigten intransparent und muss durch das Gericht auch nicht besonders erläutert werden. Das Gericht kann ohne weitere Rücksprache mit dem Beschuldigten, einen Strafverteidiger aus den Reihen der zugelassenen Rechtsanwälte benennen, unabhängig davon, ob der Beschuldigte diesen akzeptiert oder nicht.

Eisern Union!

Rechtsanwalt Dirk Gräning