25 Sep 2021

Take it EASy – Teil 2

Liebe Unioner,

heute der Fortsetzungsartikel zur bayerischen Datensammelwut.

Unter welchen Voraussetzungen werden diese Daten eigentlich gespeichert? Erforderlich ist ein „Zusammenhang mit Störungen im Phänomenbereich Sport“. Was sind Störungen? Genannt werden vom Innenministerium zwar auch Gewalttaten, aber auch das „Anbringen von Graffiti, Schmierschriften oder Aufklebern“, „Vermummung“, „Verstöße gegen Verbote in Stadionsatzungen, wie zum Beispiel Besteigen von Zäunen und Bauten oder Betreten der Spielfläche“ und natürlich „Beleidigungen oder Bedrohungen“.

Der entscheidende und abenteuerlichste Punkt ist jedoch der folgende: Man muss nicht wirklich eine Störung begangen haben, sondern es genügt die entsprechende Prognose irgendeines Polizeibeamten. Oder in den Worten des Innenministeriums: „Die Entscheidung zur Speicherung einer Person […] erfolgt nicht auf Basis eines einzelnen relevanten Sachverhalts, sondern auf Grundlage einer sog. Individualprognose. […] Entsprechend kann […] kein jeweils singulärer Katalogwert genannt werden.“ Diese Aussagen haben nicht nur Sprengkraft, sie sprengen jegliche rechtsstaatlichen Grenzen! Zwar sind dem Gesetz Prognoseentscheidungen nicht fremd, gerade im Bereich der Gefahrenabwehr. Prognosen müssen jedoch immer auf der Grundlage zutreffend ermittelter und klar umschriebener Tatsachen getroffen werden. Daran fehlt es der EASy-Datei! Letztlich erfolgen die Eintragungen aufgrund subjektiver Einschätzungen durch die nicht näher eingegrenzten Polizeibeamten. Man muss nicht an Verschwörungstheorien glauben, um willkürliche Entscheidungen zu befürchten.

Durch die Speicherung wird in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG eingegriffen. Dieser Eingriff ist umso intensiver, je mehr Daten einer Person über einen längeren Zeitraum gespeichert werden. Wie lange wird eigentlich gespeichert? Das Innenministerium erachtet eine Speicherung so lange zulässig, „wie dies zur Erfüllung der polizeilichen Aufgaben erforderlich“ wäre. Und jetzt wird es wirklich interessant: Welche „polizeilichen“ Aufgaben werden eigentlich mit der EASy-Datei verfolgt? Auch daraus macht das Innenministerium keinen Hehl: „Zielrichtung ist die Herstellung von Zusammenhängen innerhalb von bzw. zwischen phänomentypischen Szenen im Hinblick auf gewaltbereite Gruppen“. Damit dürfte die bayerische Polizei jedoch die Grenze zu einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit überschritten haben. Die EASy-Datei ist nicht nur wegen der Verletzung der Grundrechte der gespeicherten Personen verfassungswidrig, sondern verletzt auch das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten.

Was die Polizei will, lässt sich übersetzen in: Wir wollen die Fanszene umfänglich in ihrer Gesamtheit überwachen. Da in den Augen der Sicherheitsbehörde beinahe jeder Fanclub eine potentiell gewaltbereite Gruppe darstellt, ist der von einer Speicherung bedrohte Personenkreis enorm, zumal die bloße Unterstützung solcher Gruppen genügen kann. Wer also bei einer Choreo eine Pappe hochhält oder hinter einer szenetypischen Zaunfahne steht, dürfte in den Augen der Sicherheitsbehörden bereits Handlanger sein.

Was können Betroffene tun? Nun: Der erste Schritt ist, herauszufinden, ob man überhaupt betroffen ist. Hierfür sollte ein Auskunftsbegehren nach Art. 65 BayPAG gestellt werden.

Ein solches Auskunftsrecht besteht auch im Berliner Raum nach § 50 ASOG. Im Falle einer Eintragung wäre dann zu prüfen, ob ein Berichtigungs- oder Löschungsanspruch nach Art. 62 BayPAG bzw. § 48 ASOG besteht. Im Falle einer ablehnenden Entscheidung hierüber durch die Polizei wäre gerichtlicher Rechtsschutz herbeizuführen. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte der bayerischem Datensammelwut Einhalt gebieten werden. Dass die bayerische Datenkrake überhaupt an die Oberfläche der Öffentlichkeit gelangt ist, ist nur dem hartnäckigen Auskunftsersuchen bayerischer Fußballfans zu verdanken. Es kann angesichts der hier beschriebenen Umstände nicht ausgeschlossen werden, dass die bayerische EASy-Datei Nachahmungstäter in anderen Bundesländern finden wird oder schon längst gefunden hat.

Eisern Union

Dirk Gräning

Rechtsanwalt