06 Aug 2017

Betäubungsmittelgesetz und neues Polizeirecht in Bayern

Liebe Unioner,

Aus aktuellem Anlass und der bevorstehenden Auswärtsfahrten in die südlichen Provinzen möchte ich Euch auf zwei Problematiken hinweisen:

1. Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz in anderen Bundesländern

 Jedem dürfte mittlerweile klar sein, dass das Anbauen, Herstellen, Erwerben, Veräußern, Handeln oder Besitzen von Betäubungsmitteln (z.B. Haschisch, Marihuana) strafbar ist und daher auch ein Strafverfahren nach sich ziehen kann.

Es gibt häufig den Irrglauben, dass bis zu einer bestimmten Menge der Besitz von Betäubungsmitteln nicht strafbar ist. Doch weit gefehlt: auch der Besitz von 1g Marihuana ist strafbar. Eine geringe Menge eröffnet der Staatsanwaltschaft lediglich die Möglichkeit von der Strafverfolgung abzusehen. So heißt es im § 31a Abs.1 BtMG:

,,Hat das Verfahren ein Vergehen nach § 29 Abs. 1, 2 oder 4 zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.‘‘

Wie bereits aus dem Wortlaut der Norm ersichtlich, kann die Staatsanwaltschaft bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen das Verfahren einstellen, sie muss es aber nicht! Ihr steht es vielmehr frei darüber zu entscheiden, ob sie das Verfahren weiterverfolgt und gegebenenfalls Anklage erhebt oder ob sie den Fall zu den Akten legt.

Im BtMG ist aber nicht geregelt, bis wann noch eine ,,geringe Menge‘‘ vorliegt. Das ist den Bundesländern überlassen worden, die Anordnungen oder Richtlinien zur Einstellung von Verfahren bei Verstößen gegen das BtMG getroffen haben. Diese sehen teils unterschiedliche Richtwerte für ,,geringe Mengen‘‘ vor.

So wurde in Berlin verfügt, dass das Ermittlungsverfahren einzustellen ist, wenn die betroffene Person im Besitz von bis zu 10g Haschisch oder Marihuana ist und keine Gefährdung anderer vorliegt. Demgegenüber sind in anderen Bundesländern, insbesondere Bayern und Baden-Württemberg, die Vorgaben deutlich strenger:

In diesen beiden Bundesländern kann das Verfahren eingestellt, wenn die betroffene Person im Besitz von bis zu 6g Haschisch oder Marihuana ist. Da es sich hier aber auch nur um eine ,,Kann‘‘-Bestimmung handelt, kann die Staatsanwaltschaft auch bei einer niedrigeren Menge die Straftat verfolgen und Anklage erheben!

Die Erfahrung zeigt, dass bereits schon kleinste Mengen reichen, um sich einen von der Staatsanwaltschaft beantragten vom Gericht verfügten Strafbefehl einzufangen. Dieser hat, wenn er rechtskräftig wird, verheerende Nebenfolgen, wie zum Beispiel das Verbot der Berufsausübung in bestimmten Bereichen.

2. Änderung des Polizeirechts in Bayern

Der bayrische Landtag hat kürzlich eine Änderung des bayerischen Polizeirechts beschlossen, die deshalb beachtlich ist, weil der Polizei mehr Befugnisse verliehen werden.

Bislang durfte die Polizei grundsätzlich erst bei Vorliegen einer ,,konkreten Gefahr‘‘ gegenüber anderen Personen tätig werden. Es musste also eine Situation bestehen, bei der beispielsweise die Verletzung einer Person oder des Eigentums einer Person unmittelbar bevor stand oder mit Sicherheit zu erwarten war. Durch die jetzige Änderungen werden die Befugnisse der Polizei in Bayern dahingehend ausgeweitet, dass sie teilweise auch bei Vorliegen einer ,,drohenden Gefahr‘‘ tätig werden darf.

Eine drohende Gefahr liegt vor, wenn in absehbarer Zeit Angriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkungen zu erwarten sind. Dadurch muss die Polizei nicht mehr abwarten bis eine Verletzung von Rechtsgütern unmittelbar bevorsteht, sondern sie kann schon viel früher einschreiten und Maßnahmen zum Schutz anderer Personen oder der Rechtsordnung ergreifen.

Wann nun eine solche drohende Gefahr vorliegt, ist nicht geregelt. Das Gesetz gibt nur bestimmte Anhaltspunkte vor. So kann das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit einer drohenden Gefahr begründen oder es kann auf eine drohende Gefahr aufgrund von Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen geschlossen werden. Letztlich obliegt es der Einschätzung der Polizei, ob eine drohende Gefahr vorliegt.

Diese Änderung ist insbesondere für die Befugnisse der Polizei zur Platzverweisung, Aufenthaltsanordnung und Ingewahrsamnahme relevant. Für die Platzverweisung oder das Verbot, einen bestimmten Ort vorübergehend nicht zu betreten, genügt es nunmehr, dass eine drohende Gefahr für bedeutende Rechtsgüter (z.B. Sicherheit des Landes, Leben, Gesundheit, Freiheit, erhebliche Eigentumspositionen) vorliegt. Dadurch erweitert sich für die Polizei in Bayern auch die Möglichkeit der Ingewahrsamnahme. Denn diese ist schon zulässig, wenn sie unerlässlich ist, um einen Platzverweis oder eine Aufenthaltsanordnung durchzusetzen, also auch dann wenn, diese Maßnahmen wegen einer drohenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut erfolgen.

Daneben kann eine Person auch ohne vorherigen Platzverweis in Gewahrsam genommen werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut (Sicherheit des Landes, Leben, Gesundheit, Freiheit) unerlässlich ist. In den Fällen der Ingewahrsamnahme ist dann grundsätzlich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams einzuholen, es sei denn, dass vor Entscheidung durch den Richter der Grund der Ingewahrsamnahme wegfällt.

Welche Konsequenzen diese Änderung des bayrischen Polizeirechts in der Praxis haben wird, ist noch nicht ersichtlich. Wer aber in nächster Zeit in Bayern unterwegs ist, sollte bedenken, dass die Änderungen bereits in Kraft sind und daher die Polizei beim Vorliegen einer aus ihrer Sicht bestehenden drohenden Gefahr einschneidende Maßnahmen ergreifen darf.

Eisern Union!

Dirk Gräning

Rechtsanwalt