09 Dez 2021

Strafrecht in Tschechien

Liebe Unioner,

wieder international und wieder Zeit für einen Blick über die Grenzen.

Das tschechische Strafrecht ist im Wesentlichen durch das seit dem 1.1.2010 in Kraft getretene Strafgesetzbuch, welches die alten Regelungen aus dem Jahre 1961 reformiert hat, geregelt. Bei der Reform wurde der Schutz des Menschen in den Vordergrund gestellt. Das führt dazu, dass Strafandrohungen bei Straftaten gegen die Würde und Unversehrtheit des Menschen vergleichsweise höher ausfallen, als bei Vermögensstraftaten.

Was die im tschechischen Strafgesetzbuch aufgeführten Normen und Straftatbestände angeht, ist vieles dem deutschen Strafrecht sehr ähnlich.

Unterschiede gibt es z.B. bei der Regelung der Schuldunfähigkeit jugendlicher Täter. In Tschechien ist strafrechtliche Verantwortlichkeit erst gegeben, wenn der mögliche Täter mindesten 15 Jahre ist. Zur Erinnerung, in Deutschland reicht hierfür die Vollendung des 14. Lebensjahres.

Das tschechische Strafrecht kennt auch das Instrument der Pflichtverteidigung. Neben einer Reihe anderer Möglichkeiten liegt aber auf jeden Fall ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn die angedrohte Freiheitsstrafe 5 Jahre überschreitet. Genau wie in Deutschland kann zunächst der Angeklagte einen Verteidiger bestimmen, erst wenn er dies nicht tut, wird dieser durch das Gericht bestellt. Der Beschuldigte kann in Tschechien bei der Staatsanwaltschaft einen Antrag einreichen, in dem er nachweisen muss, dass er nicht über die finanziellen Mittel verfügt, seinen Verteidiger zu bezahlen. In Prüfung dieses Antrages entscheidet das Gericht, ob der Beschuldigte Anspruch auf eine unentgeltliche Vertretung hat, oder ob er für sich eine Vertretung zu ermäßigten Gebühren beanspruchen kann. Das ist in etwa vergleichbar zum zivilrechtlichen Prozesskostenhilfeverfahren in Deutschland.

Es gibt in Tschechien seit 2012 auch die Möglichkeit, juristische Personen, also Gesellschaften, die Ihren Sitz in Tschechien haben bzw. in Tschechien tätig sind und dort über Vermögen verfügen, einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu unterziehen und sie zu bestrafen, wenn sie Straftatbestände der Normen des tschechischen Strafgesetzbuches erfüllen. Als Strafen könne hier Tätigkeitsverbote oder Einziehung des Vermögens verhängt werden.

Was den reinen Ablauf des Strafverfahrens angeht, ähnelt dies dem Verfahren in Deutschland. Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, besteht auch in Tschechien die Möglichkeit, der Beantragung eines Strafbefehls durch die Staatsanwaltschaft. Die Frist, dagegen Einspruch einzulegen, beträgt aber im Unterschied zu einem in Deutschland erlassenen Strafbefehl nur 8 Tage.

Wahlweise hat die Staatsanwaltschaft auch die Möglichkeit, das Verfahren einzustellen oder Anklage zu erheben. Wird Anklage erhoben oder aber gegen einen durch die Staatsanwaltschaft erlassenen Strafbefehl Einspruch eingelegt, findet die Hauptverhandlung, die vom Ablauf her, ähnlich wie in Deutschland strukturiert ist, vor dem Gericht statt. Das erstinstanzliche Verfahren kann durch Urteil oder durch eine Einstellung abgeschlossen werden. Wird der Angeklagte verurteilt, kann er innerhalb von 8 Tagen gegen dieses Urteil Berufung einlegen.

Soweit vielleicht ein kleiner Einblick. Hoffen wir heute auf einen Sieg, damit wir auch weiter europäisch spielen.

Eisern Union

Dirk Gräning

Rechtsanwalt