20 Nov 2021

Verbot anlassloser Videoüberwachung – Teil 2

Liebe Unioner,

in der letzten Ausgabe hatte ich Euch etwas zu einem Urteil des Landgerichtes Köln – zur Problematik der anlassbezogenen Videoüberwachung – ausgeführt. Heute dazu die Fortsetzung, insbesondere zu den Gründen, die das Landgericht zu seiner Entscheidung bewogen hat.

Das Landgericht Köln geht in seinem Beschluss von einem krassen Ausnahmefall aus, da es einen vorsätzlichen bzw. grob fahrlässigen Verstoß gegen das Polizeirecht annimmt. Die Polizeigesetze der Länder lassen die Erhebung personenbezogener Daten bei öffentlichen Veranstaltungen durch den Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen nur dann zu, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dabei Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen werden (so etwa auch § 24 ASOG Berlin). Solche Tatsachen lagen jedoch nach Ansicht des Landgerichts Köln nicht vor:

„Auf den Aufnahmen sieht bzw. hört man eine große Gruppe meist halb nackter, teilweise etwas schwabbeliger junger Männer, die trommeln, brüllen und grölen. Das sind, je nach persönlicher Sichtweise, Geschmacklosigkeiten oder Besonderheiten gemeinsamer Freizeitgestaltung, in keinem Fall aber Straftaten.“

Zwar gesteht das Landgericht Köln einerseits zu, dass der Staat ein legitimes Interesse habe, die Beamten im täglichen Dienst nicht schutzlos den „Insultationen grobschlächtiger Leute“ auszuliefern. Aber andererseits kann es auch nicht ausschließen – und beweist dadurch durchaus Lebens- und Stadionnähe –, dass das Filmen über längere Zeit, ohne dass es irgendwelches strafbares Verhalten gegeben habe, dazu geführt habe, dass sich die Gruppe irgendwann provoziert gefühlt und sich aus diesem Grunde entschlossen habe, die Gesänge anzustimmen.

Damit attestiert das Landgericht den Polizeibeamten im Ergebnis eine vorwerfbare Provokation. Im Kontext von Notwehrrechten führen solche Verhaltensweisen zum Beispiel dazu, dass jemandem sein Notwehrrecht aberkannt wird, wenn er die Notwehrsituation provoziert hat.

Der Grundgedanke dahinter: Wer sich selbst außerhalb der Rechtsordnung stellt, der verdient auch nicht mehr den Schutz derselben. Wenn also die Polizei durch das Filmen die Rechte der Fans mit Füßen tritt, dann darf sie nicht auf den Schutz durch die Gerichte hoffen, wenn die Fans verbal zurücktreten.

Was könnten aber Tatsachen sein, die die Annahme von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten rechtfertigen? Nun: Pyrotechnik ist nur in den Augen von vielen Fußballfans kein Verbrechen, in den Augen der Gerichte und der Polizei jedoch sehr wohl. Daher trug die Polizei hilfsweise vor, dass bei jenem Regionalligaspiel wie auch bei früheren Spielen Pyrotechnik gezündet worden sei. Zwar genügte dieser Vortrag im konkreten Fall dem Landgericht nicht.

Zum einen begründeten Vorfälle aus früheren Spielen keine tatsachenbasierte Annahme, sondern gingen „über die Grundlage nicht hinreichender Vermutungen bevorstehender Straftaten schon der Sache nach nicht hinaus“. Zum anderen konnte die Polizei für das konkrete Spiel nicht hinreichend glaubhafte bzw. nur widersprüchliche Zeugenaussagen präsentieren.

Aber letzterer Punkt sollte als warnender Zeigefinger verstanden werden: Vorfälle in einem Spiel jenseits von ACAB können hinreichender Anlass für die Anfertigung von Videoaufzeichnungen sein. Das gilt etwa für das Zünden von Pyrotechnik im Stadion als auch für das Anstimmen von Schmähgesängen oder das Präsentieren von Plakaten mit beleidigendem Inhalt zulasten individuell-konkreter Personen (Stichwort: Dietmar Hopp).

Eisern Union

Dirk Gräning

Rechtsanwalt